Ein junger Mann verlor sein Vorstellungsgespräch für seinen Traumjob, weil er einer älteren Dame im Regen zu Hilfe eilte

Dieselbe Rezeptionistin, die ihn zuvor gefeuert hatte, blickte ihn überrascht an, als er zum zweiten Mal klatschnass hereinkam.

—Ähm… der Geschäftsführer bat darum, ihn zu sprechen — sagte Luis und zeigte ihm mit zitternden Händen die Nachricht.

Sie öffnete verwirrt die Augen. Sie sah sich etwas am Computer an und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich.

„Ja…“, sagte er etwas freundlicher. „Bitte kommen Sie herein. Fahren Sie mit dem Aufzug ins oberste Stockwerk.“

Luis erblickte den privaten Aufzug mit seinen polierten Stahltüren und empfand ihn als etwas überfordernd. Er zögerte einen Moment, stieg dann aber ein. Während er nach oben fuhr, spiegelte sich in den Metallwänden ein junger Mann mit vom Wasser zerknitterter Kleidung, dessen Haare an der Stirn klebten und der abgetragene Schuhe trug. Nicht gerade das Bild, das man sich unter jemandem vorstellt, der das Büro der Geschäftsleitung betritt.

Die Türen öffneten sich leise. Vor ihm befanden sich zwei große Holztüren. Ein Helfer schob sie auf und ließ ihn herein.

Das Büro war geräumig, mit bodentiefen Fenstern, die einen Blick über die gesamte Stadt boten, die noch immer in graue Wolken gehüllt war. Hinter einem eleganten Schreibtisch saß Arturo und ging einige Dokumente durch.

Luis blieb regungslos stehen, als ob die Zeit stillgestanden hätte.

Arturo blickte auf. Ein ehrliches Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Ich habe auf dich gewartet, Luis“, sagte sie mit warmer Stimme.

Dem jungen Mann lief es kalt den Rücken runter. Jetzt sah er es klar: Es war nicht einfach nur ein Mann in einem teuren Anzug. Es war der Besitzer des gesamten Gebäudes.

—S-bitte setzen Sie sich — fügte Arturo hinzu und deutete auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch.

Luis setzte sich vorsichtig hin und achtete darauf, kein Wasser auf den Teppich zu tropfen.

„Meiner Mutter geht es stabil“, begann Arturo. „Der Arzt sagt, es sei nur ein Blutdruckabfall gewesen, nichts Ernstes. Dank Ihnen kam sie schnell ins Krankenhaus.“

Luis atmete die Luft aus, von der er gar nicht gewusst hatte, dass er sie angehalten hatte.

—Das freut mich sehr, Sir. Ich habe nur das getan, was jeder getan hätte.

Arturo stieß ein kurzes Lachen aus.

—Glaub mir, nein. Heute hatten alle es eilig. Jeder hatte „etwas Wichtiges“ zu erledigen. Nur du hast angehalten.

Er nahm einen Ordner vom Schreibtisch und drehte ihn zu sich.

—Das ist Ihre Akte. Sie ist vor einigen Wochen in der Personalabteilung eingegangen. Eigentlich sollte sie zwischen vielen anderen unbemerkt bleiben, aber heute ist sie mir in die Hände gefallen.

Luis erkannte seinen Namen auf dem Umschlag. Er empfand eine Mischung aus Scham und Hoffnung.

„Ich sehe, dass Sie neben dem Studium gearbeitet haben“, sagte Arturo und blätterte in seinen Notizen. „Dass Sie sich um Ihre kranke Mutter gekümmert und trotzdem Ihr Studium abgeschlossen haben. Ich sehe Einsatz. Ich sehe Opferbereitschaft. Und vor allem … heute habe ich etwas gesehen, das man nicht in einen Lebenslauf schreibt.“

Eine bedrückende Stille senkte sich herab. Draußen klopfte der Regen sanft gegen die Fenster.

„Luis“, fragte Arturo plötzlich, „ich möchte, dass du mir die Wahrheit sagst. Wenn du wüsstest, dass du das Interview verlieren würdest, würdest du meiner Mutter dann noch einmal helfen?“

Der junge Mann spürte, wie ihm die Frage ins Herz traf. Er senkte den Blick für einige Sekunden und erinnerte sich an die Stimme der alten Frau, das Gewicht ihres zitternden Körpers und wie sie sich an sein Hemd geklammert hatte.

Sie blickte auf, ihre Augen strahlten.

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