Meine Mutter verließ mich, als ich dreizehn war. Sie schaute nie zurück, meldete sich nie. Fünfzehn Jahre später tauchte sie bei der Testamentseröffnung meines Vaters auf, überzeugt davon, dass ihr Millionen gehören würden.

Die Nachricht verbreitete sich schnell unter Familie und Freunden: Ich, Marcus Varela, hatte alles geerbt, und meine Mutter würde keinen Cent bekommen. Diejenigen, die ihr am nächsten standen, wussten von ihrer Verlassenheit, aber niemand ahnte, dass mein Vater einen so unwiderlegbaren Beweis hinterlassen hatte. Es war seine Art, mich auch nach seinem Tod zu schützen.

In den folgenden Wochen versuchte Claudia mehrmals, mich zu kontaktieren. Zuerst kurze Nachrichten, dann unzählige Anrufe und schließlich ein handgeschriebener Brief. Ich ignorierte ihn zunächst, nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil ich verstehen musste, was sie fühlte. Jahrelang hatte ich mir diese Begegnung ausgemalt, fantasiert, ihr alles zu erzählen, was sie mir angetan hatte. Doch als es endlich zur Konfrontation kam, empfand ich keine Befriedigung, nur eine seltsame Leere.

Eines Tages erhielt ich eine Benachrichtigung vom Notar: Claudia wollte das Testament rechtlich prüfen lassen. Ich war nicht überrascht. Die starke, tadellose und ehrgeizige Claudia lebte unter dem emotionalen Trümmerhaufen weiter.

Ich traf mich mit meinem Anwalt in einem Café in der Calle Atocha, einem kleinen Lokal, wo sich der Verkehrslärm mit dem Duft frisch gemahlenen Kaffees vermischte. Er prüfte die Dokumente und sagte:

„Marcus, sie hat keine Chance. Dein Vater hat wirklich alles dokumentiert. Das ist eher eine emotionale als eine juristische Angelegenheit.“

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